Ich habe mal einen alten Bericht von mir ausgegraben, der teilweise gerade aktuell ist. OK, mittlerweile hat man beschlossen, die Digitalfunktechnik bei Polizei, Feuerwehr, THW einzuführen. Nur wurden gerade sehr viele Leute aufgefordert, bitte nicht ihr Handy zu nutzen. Weil u.a. Tausende in Bahnhöfen festsitzen, wirds wohl etwas schwieriger……..
OK, nun zu meinen historischen Betrachtungen aus dem Jahr 2004, welche später durch den Abgeordneten Uwe Schummer (Kreis Viersen) sogar zu einer Anfrage im Bundestag führte. Und die seitens der damaligen Regierung nur seeeehr vage beantwortet wurde. Bitte denken Sie daran, dass vieles mittlerweile in die richtigen Bahnen gelenkt, aber noch nicht voll umgesetzt ist. Wenn es so weiter geht, wie jetzt, erfüllt Deutschland so um ca. 2010 seine vertraglichen Verpflichtungen. Zwar bin ich kein Rechtsexperte, aber wenn etwas richtig schief geht, könnte meiner Meinung nach eine ähnliche Haftung passieren, wie bei anderen staatlich vertrottelten EU-Beschlüssen (Reiseversicherung als Beispiel). Also: Historie zum Thema hoheitliche Rauchzeichenübermittlung:
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Was passiert, wenn es passiert?
Oderhochwasser, Überflutungen im Sommer 2004 und die Bedrohung durch Industriekatastrophen und Terror machen Deutschland anfällig. Zwar üben alle Kräfte regelmäßig die Zusammenarbeit, dies aber nur in kontrollierten Szenarien. Im plötzlichen Katastrophenfall oder, noch schlimmer, bei Terroranschlägen, sind deutsche Sicherheits- und Rettungskräfte wahrscheinlich überfordert. Ausbildung, Motivation und Leistungsfähigkeit der Beamten stellen dabei nicht den Knackpunkt im System dar. Eher sorgt über 30 Jahre alte Funktechnik für garantiertes Unverständnis zwischen verschiedenen Bundesländern und hoheitlichen Organen.
Anlässlich des Oderhochwassers erlebten Sicherheit und Rettung eine erste Zusammenarbeit mit den Möglichkeiten digitaler Funksysteme. Weniger durch Vater Staat, als durch T-Mobile, Vodafone, E-Plus und O2 verständigten sich Bundeswehr, Polizei, THW, Katastrophenschutz und Feuerwehr. Die Mobilfunkanbieter hatten rechtzeitig mobile Übertragungsstationen an die Oder geschickt und sorgten für gute Erreichbarkeit. Wer die richtige Handynummer hatte, konnte seine Kollegen schnell gezielt ansprechen und Maßnahmen einleiten.
Wenn einmal wirklich eine große Katastrophe in einem dicht besiedelten Gebiet passiert, ist die Lage so nicht mehr beherrschbar. Binnen weniger Minuten wären die privaten Mobilfunknetze dicht. Genau dies passiert jedes Jahr, wenn sich ganze Ballungsgebiete ein frohes neues Jahr oder Weihnachten wünschen. Auch beim Terroranschlag vom 11.9. in New York gab es teilweise Probleme in Deutschland, da viele Menschen aufgeregt zum Handy griffen und mit Freunden oder Familie telefonierten.
Bereits im Jahr 1990, Schengener Abkommen, Artikel 44, verpflichtete sich Deutschland, ein integrales Digitalfunksystem für Rettung und Sicherheit einzuführen. Die Innenministerkonferenz beschloß am 23/24. November 2000 die Einführung eines Digitalsystems bis spätestens 2006, ab 2005 sollte die Infrastruktur stehen. Sogar eine Projektorganisation entstand. Nach Äußerungen von Bundesinnenminister Schily wird es bis zum Jahr 2008 dauern, bevor ein bundeseinheitlicher Standard geschaffen ist und das Netz läuft. Zurzeit schiebt die Innenministerkonferenz in seltener Eintracht mit dem Bundesinnenministerium den Zuschlag für ein System vor sich her.
Die rekordverdächtige Zeitspanne erklärt sich aus politischen und wirtschaftlichen Interessen, welche einer funktionierenden Gesamtlösung massiv im Wege stehen. Es geht immerhin um eine knappe Million Geräte und ein Investitionsvolumen von 3 – 15 Milliarden Euro. Zwar sind die Kassen knapp, aber zwischenzeitlich droht eine massive Vernichtung von Steuergeldern.
Problem und Lösung
Die alte Analogtechnik, mit der z.B. die Polizei derzeit noch größtenteils arbeiten muss, rauscht und ist international inkompatibel. Auch lässt sich der Polizeifunk sehr einfach abhöhren. Die Ausstattung der Beamten ist oft um einiges älter, als die Beamten selbst. Uraltgeräte werden in Berlin wieder durch Reste ausgemusterter Exemplare zusammen geflickt. Zwischen verschiedenen Bundesländern und verschiedenen Aufgabenträgern ist eine effiziente Kommunikation ausgeschlossen. Feuerwehr und Polizei können sich nur über ihre Leitstellen miteinander verständigen, direkt nicht. Grund hierfür sind knapp 80 verschiedene Funknetze und ca. 200 Relaisstellen. Alleine die Polizei vor Ort hat meist schon zwei Systeme gleichzeitig im Einsatz, auf 2 Meter und 4 Meter Wellenlänge.
Dabei sind drei erwiesenermaßen funktionierende Systeme für hoheitlichen Digitalfunk im Lösungsangebot. Als „Preiswertsystem“ für etwas mehr als 3 Milliarden Euro positioniert Vodafone sein GSM-BOS. Mittels herkömmlicher Handy-Technologie entsteht ein ergänzendes Angebot für Polizei, Feuerwehr, BGS und weitere Aufgabenträger. Hoheitliche Handies erhalten eine höhere Priorität und bekommen im Notfall freie Kanäle durch den „Rauswurf“ normaler Teilnehmer aus dem Vodafone Netz. Die prinzipielle Funktionsfähigkeit wurde mehrfach nachgewiesen, etwa bei Großversuchen in Würzburg 2001-2003. Das Hauptmanko ist zurzeit noch ein zu langsamer Verbindungsaufbau, welcher aber immer noch um Größenordnungen besser ist, als die bisherige Lösung.
Tetrapol ist eine Entwicklung des französischen Herstellers Matra, welches im Vergabeverfahren durch EADS Telecom, einer Tochter des Luft- und Raumfahrtherstellers EADS angeboten wird. Das System arbeitet mit einem komplett eigenen Netz und wird erfolgreich in Frankreich, der Schweiz und Teilen der Bundeswehr eingesetzt. Für dieses Netz müssen neue Funkanlagen geschaffen werden, das gesamte Investitionsvolumen dürfte deutlich über 10 Milliarden Euro liegen. Das gilt auch für das dritte System, Tetra 25. Es handelt sich um einen europäischen Standard, abgesegnet von ETSI, der europäischen Standardisierungsbehörde für Telekommunikation. Insgesamt hat Tetra 25 die größte Verbreitung. Fast alle Länder um Deutschland herum nutzen es. Selbst in Deutschland gibt es schon einige Anwender, etwa die Verkehrsbetriebe in Köln. Hoheitliche Aufgabenträger testeten Tetra in Aachen 2001, ab 2003 war eine staatenübergreifende Kommunikation mit Belgien und den Niederlanden möglich. Das System wird primär von einem Konsortium mit Motorola und T-Systems angeboten. Weiter sind im Tetra-Club z.B. Nokia und Marconi vertreten. Die beiden Tetra Systeme haben untereinander vergleichbare Fähigkeiten, die zurzeit etwas höher einzustufen sind, als Vodafone. Dafür ist Vodafone aufwärtskompatibel Richtung UMTS.
Alle Systeme haben gegenüber dem bisherigen Flickenteppich aus lokalen Netzen gewaltige Vorteile. Alleine schon die bessere Qualität der Sprachübertragung verhindert Verständnisschwierigkeiten und verbessert die Arbeitsbedingungen. Digitalsysteme können parallel Sprache und Daten übertragen. Der Anschluss von Laptops oder einfach schon die
Bilddatenübertragung vereinfachen massiv die Arbeitsabläufe. Die Polizei kann dezentral auf Fahndungssysteme zugreifen oder Unfallbilder speichern. Im Rettungswesen ermöglicht die Digitaltechnik die genaue Information einer Notaufnahme durch Übertragung von EKG und Erstbefunden aus dem Rettungswagen (NOAH). Eine zentrale Funksteuerung für die gesamte Republik ist im laufenden Betrieb obendrein weitaus effizienter, als einzelne Netze.
Politik und Steuerverschwendung
Bei der Entscheidung für eines der drei Systeme gelten unterschiedliche Interessen der Bundesländer und des Bundes. Die südwestlichen Länder hätten gerne Tetrapol. Ganz einfach, weil es Fankreich schon einsetzt und damit eine einfache, grenzüberschreitende Kommunikation möglich wird. Nordrhein Westfalen möchte Tetra 25, damit man sich z.B. mit den Niederlanden verständigen kann. Einige „ärmere“ Länder liebäugeln mit Vodafone, weil es das billigste System ist. Der Bund dürfte Tetra 25 bevorzugen. Immerhin besitzt der Staat noch ein beachtliches Paket an Telekom Aktien. Bei einem Zuschlag für T-Systems gibt Schily zwar Milliarden aus, Eichel holt diese aber teilweise wieder durch Dividenden und den Aktienkurs der Telekom herein. Da kam der Steuercoup von Vodafone im Frühjahr gerade recht, öffentlich Stellung zu beziehen und sich zu entrüsten. Beim prinzipiell gleichen Vorgehen der Telekom scheint der Bund um weniger Öffentlichkeit bemüht.
Der andauernde Streit um das richtige System führt auf der Verwaltungsebene der Länder zu Parallelentwicklungen, welche insgesamt eine deutliche Verteuerung bewirken können. Nordrhein Westfalen hat kürzlich ein System zur elektronischen Verwaltung bei der Polizei eingeführt. Das gleiche System arbeitet in Thüringen und Bayern. Die direkten Nachbarländer verwenden andere Systeme, welche einen direkten Datenaustausch verhindern. Bremen führt nach eigenen Fehlversuchen das niedersächsische System ein. Pikant dabei waren nach Insiderinformationen schon in Niedersachsen bekannte Mängel aus dem Jahr 2003, etwa eine Anfälligkeit bei vielen gleichzeitigen Zugriffen. Viele Feuerwehren, der BGS und die Bundeswehr setzen wiederum andere Programme ein.
In direkter Konsequenz heißt dies: Wenn man ab 2008 die vollen Möglichkeiten digitaler Kommunikation nutzen will, müssen die Systeme teuer aneinander angepasst werden. Nichtsdestotrotz arbeiten viele Länder und Organe an einem Ausbau ihrer eigenen Systeme, die eine spätere Vereinheitlichung nochmals verteuern. Die Frage, warum einige Länder jetzt noch die Verwaltung umstellen, ist brisant. Immerhin wäre ein einheitliches Formularwesen der preiswerteste Weg, später einmal die geringsten Kosten zu garantieren.
Nicht nur die Länderpolizei versteht sich nicht. Die Daten bei einem Verkehrsunfall enthalten typischerweise Namen, Vornamen, Ort, etc.. Das Unfallformular der Feuerwehr sieht anders aus, als das der Polizei. Jeweils darf ein Beamter den gleichen Inhalt in zwei verschiedene Systeme eintippen.
Logischer wäre eine Lösung, die auf einen einheitlichen Basisdatensatz zugreift und um die aufgabentypischen Besonderheiten erweitert wird. Technisch ist dies mit Digitalfunk problemlos möglich. Nur müssten sich vorher Bund, Länder und Träger der Rettungsdienste auf ein Basisformular einigen. Bis dies der Fall ist, befindet sich Deutschland funktechnisch auf dem gleichen Niveau wie Albanien. Peinlich, dass es drei funktionierende Systeme, aber keine Entscheidung gibt. In guter alter staatlicher IT-Großprojekt-Tradition werden unterdessen beachtliche Summen versenkt. Und die Innenminister hoffen, dass bis nach der Fussball-WM 2006 nichts passiert, was sie unter Handlungs- und Entscheidungsdruck setzt.