Für viele Politiker ist es ein absolutes Ärgernis: Immer mehr Menschen verlagern ihre politischen Meinungsäußerungen ins Web. Da läuft nichts mehr mit Meinungshoheit weniger Zeitungen, da tut das Volk seinen Willen unverblümt kund.
Ich finde, diesen Trend darf man nicht unterschätzen. Besonders die besser informierten Menschen bilden sich ihre Meinung anhand einer Unzahl verschiedener Quellen – Von Wikipedia bis Blogs. Und der Reiz ist da, auch mal seine eigene Meinung zu schildern. Oft pointiert, oft mit enormem Hintergrundwissen.
In Parteien würden solche Menschen eingehen, zu eng sind die Denkmuster und zu straff ist die Parteidisziplin nebst Speichellecken, bis man an einer vernünftigen Stelle in einer Partei den Luxus einer eigenen Meinung öffentlich vertreten darf. Das finde ich schade aber die Ausweichbewegung ins Web nur konsequent.
Währenddessen versuchen viele Parteigänger und Ideologen, in sozialen Netzwerken zu missionieren, indem sie mit verquerem Geplärre Foren fluten. Da ist alles vertreten von Pazifisten über Linke bis zu Neonazis. Alle sind ideologisch gefestigt und tragen durchs stumpfe Wiederholen ihrer Ideologie doch nur zu Politikverdrossenheit auch im Web teil. Aber es gibt einen Vorteil: Man ist schneller in einem anderen, besseren Forum aktiv als bei Zusammenkünften realer Politiker in Parteien.
Ich bin gespannt, wie Parteien diesen Mechanismus aufgreifen werden, etwa als Quell externern Sachverstands oder für Hochkaräter als Quereinsteiger. Das ist eine enorme Chance im Vergleich zum Katzbuckeln durch die Organe – was vernünftige Menschen sich oft einfach nicht antun möchten. Bin mal gespannt, wann die ersten Talentsucher durch die Foren ziehen und an der entsetzen Provinzpolitik vorbei gute Fach- und Führungskräfte gewinnen.